Ein Leben ohne Geld und materielle Wünsche: Wie geht das? Bei Thies Matzen fiel die Entscheidung in einer Nacht im November 1976 am Pazifikstrand von Laguna Beach in Südkalifornien. Er war gerade 20 Jahre alt geworden und mit seinem Freund Yogi Reppmann auf einer Tramptour durch die USA, nachdem beide das Abitur in Flensburg geschafft hatten.
Die beiden Freunde stehen kurz vor dem Ende ihrer fünfmonatigen Reise per Anhalter durch Nordamerika. Jetzt werden sie eigene Wege gehen. Aber welche? Ursprünglich wollte Thies Matzen ein Studium in dem gerade neu entstehenden Fach Ökologie und Umweltschutz beginnen. Yogi Reppmann will Historiker werden und sich auf die Geschichte der deutschen Auswanderer in die USA spezialisieren. Doch in dieser Nacht wird Thies Matzen nachdenklich. Ist das Studium und die klassische Karriere wirklich das Richtige für ihn? Bis zum Morgenanbruch diskutieren die Freunde, dann fällt der 20-Jährige eine Entscheidung fürs Leben: Er will eine Holzbootsbauer-Lehre in Dänemark absolvieren und danach ohne große Ersparnisse die einsamsten Winkel der Welt erkunden und anspruchslos auf einem Segelschiff leben.
Während Yogi Reppmann sein Studium beginnt, lernt Matzen das Bootsbauer-Handwerk. 1985 treffen sich beide auf einer Werft in Risør südlich von Oslo wieder: Matzen ist hier bereits Geselle, Reppmann verdient sich als Hilfsarbeiter Geld für die Promotion. Abends erzählt der Bootsbauer seinem Freund seinen Traum: 1980 hat der das legendäre Holzboot „Wanderer III“ erworben und seitdem überarbeitet. Nun will er mit dem Boot zur Weltumseglung aufbrechen. Bereits viermal zuvor war den Vorbesitzern mit „Wanderer III“ ähnliches gelungen.
Nach einigen Wochen trennen sich wieder die Wege der beiden. Reppmann beginnt seine Forschungsarbeit in amerikanischen Archiven, Matzen überquert den Atlantik und lebt seitdem auf dem Segelboot. Doch die Freunde bleiben bis heute in Kontakt. Als Reppmann im Frühjahr dieses Jahres Geburtstag hat, meldet sich Matzen von einer einsamen Insel auf den Falklands. Zum Geburtstag des Freundes nutzt der heute 58-Jährige ausnahmsweise die Satelliten-Station auf dem Eiland.
Materielle Wünsche sind Matzen fern. Als er zu seiner ersten Weltumseglung 1986 aufbrach, hatte er 1000 Mark Bargeld gespart. Zehn Jahre später lagen die 1000 Mark immer noch in der Bordkasse. Viel größer ist die Freude über einen Blumenkohl, den Kicki auf der Falkland-Insel entdeckt hat, wie die Geburtstags-Email, 27. März, 2014, verrät:
… wir mampfen gerade Salat aus dem Garten, aus dem Kicki mit der Botschaft eines Mirakels ins Haus stuerzte: der Entdeckung eines Blumenkohls. Die kleinen Freuden werden die grossen – so ist das hier. Ich bin augenblicklich seitwaerts von der Gegenwart geparkt und schiebe mich von Bild zu Bild durch Vergangenes – bis zum nachmittaglichen Geburtstagskuchen ein bisschen spaeter … . Kein Bier, aber Kaffee dazu – so feiere ich dann mit dir. Alles Liebe dir und Gitta von Kicki und Thies
Stephan Richter, Flensburg, in www.paradiso-magazin.de Nr. 1, 2014
Comments